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Gedanken zum Monatsspruch Mai 2024
Alles erlaubt

Wenn Sie einen Tag lang unabhängig von Zeit und Geld machen könnten, was Sie wollten – was würden Sie tun? Wie sähe dieser Tag aus und wie würde sich das anfühlen? Ein Tag ohne Verantwortung und ohne Pflichten frei nach dem Motto „Alles ist mir erlaubt“.

Mit einem Paukenschlag würden Sorgen abfallen und ein Gefühl von völliger Freiheit den Körper durchströmen. Aber was wäre, wenn sich dieser Tag ausdehnen würde? Wochen, Monate, Jahre würden vergehen – ein Leben mit grenzenlosen Möglichkeiten.

 Wann würde das anfängliche, euphorische Gefühl nachlassen? Vermutlich schleichend, aber irgendwann würde der Punkt kommen, an dem die Freude umschlägt und die ausufernde Freiheit zu einem inneren Zwang wird, aus jedem Tag das Maximum holen zu müssen. Die Tage würden dann daran gemessen werden, ob sie sich genauso lebendig und befreit anfühlen wie der allererste.

Das Motto „Alles ist mir erlaubt“ könnte ungeahnte Freiheitsräume eröffnen, aber auch ein wenig verstörend sein. Denn maßlose Freiheit kann zerstörerisch werden, wenn sie ohne Orientierung ist. Paulus erinnert im Korintherbrief daran: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.“ Das verändert die Perspektive – weg von den Grenzen der Möglichkeiten hin zur Frage, was dem Leben wirklich dient.

Die Freiheit wird hier nicht durch Verbote begrenzt, sondern gewinnt gerade ihren Wert, indem sie auf etwas Bestimmtes ausgerichtet ist. Sie irrt nicht ziellos umher, sondern weist klar mit ihrer Kompassnadel Richtung Leben. Sie zeigt auf ein Leben in innerer Freiheit auf der Suche nach dem Guten für alle Lebewesen. Die Worte „Alles ist mir erlaubt“ klingen dann anders – vielleicht weniger nach einem lauten Paukenschlag, sondern nach einem sanften Rückenwind. Diese Freiheit vor Gott inspiriert dazu, jeden Tag bewusst zu leben und nach dem Guten zu suchen.

So wird sie zu einem gelebten Weg, der uns von Tag zu Tag trägt.

Pfr. i. P. Ruth Gaiser
Kassel